„Es ist höchste Zeit zu handeln“

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Dingelsdorf soll Nahwärmenetz erhalten, Wärmegewinnung aus dem Bodensee wäre möglich

Von Nikolaj Schutzbach

Ein eigenes Nahwärmenetz könnten sich Ortschaftsrat und Verwaltung für Dingelsdorf vorstellen. Bei einer Informationsveranstaltung in der Thingolthalle brachten sie die Idee den Einwohnern näher. Rund 30 Interessierte kamen, wie Verwaltungsleiterin Gabriele Steffens gezählt hat – ohne Ortschaftsräte und sonstige zur Veranstaltung Gehörende, erklärte sie.

„Es ist höchste Zeit zu handeln“, betonte Ortsvorsteher Heiner Fuchs in seiner Einleitung. Er äußerte sich verwundert darüber, dass noch viele Menschen ob der Nachrichtenlage tiefenentspannt seien und verwies auf die Energiekrise und den Krieg in der Ukraine als herausragende Ereignisse. Den Radolfzeller Ortsteil Liggeringen benannte er als Vorbild. „Die sind seit drei Jahren dort, wo wir irgendwann sein wollen“, sagte er anerkennend.

Das Thema sei dem Ortschaftsrat nicht neu, denn der Arbeitskreis Klimaschutz und Biodiversität befasse sich bereits seit längerem mit diesem Thema. „Die Klimaziele sind gesteckt. Es wäre sicher sinnvoll, dass wir uns einen Ruck geben und anpacken“, sagte Heiner Fuchs nachdrücklich.

Dass besser und mehr gehandelt werden muss, das sieht auch Lorenz Heublein so. Er vertrat kurzfristig Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, der sich am Nachmittag unverhofft in Quarantäne begeben musste. „Klar ist, wir müssen deutlich schneller werden“, forderte der Leiter der Stabsstelle Klimaschutz in der Stadtverwaltung. Um den Anteil an erneuerbaren Energien im Vergleich zu anderen fossilen Energiearten umzukehren, müssten die Anstrengungen verfünffacht werden, damit das Ziel bis zum Jahr 2035 erreicht wird. „Und das nicht in ein paar Jahren sondern sofort“, mahnte Heublein nachdrücklich. Ob und wie sich in Dingelsdorf ein Nahwärmenetz verwirklichen lasse, werde demnächst durch die Stadtwerke Konstanz geklärt. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, betonte er und verwies auf Liggeringen.

„Eine Energiewende vor Ort“, sagte dessen Ortsvorsteher Hermann Leiz, der ab 2014 das Nahwärmenetz vorangetrieben hat und seit drei Jahren zufriedener Kunde ist. „Unsere Lebensqualität hat sich seit 2019 erhöht. Alle Kunden haben einen kostenlosen Glasfaseranschluss für schnelles Internet“, sagte er begeistert. 260 Ein- und Mehrfamilienhäuser gibt es laut dem Ortsvorsteher in Liggeringen. „Bis Ende des Jahres werden 120 bis 130 Häuser angeschlossen sein“, schätze er. „Es hat viel Kraft gekostet, aber es hat sich gelohnt“, betonte Hermann Leiz.

Im Solarenergiedorf Liggeringen wurde auf einer freien Fläche Solarthermie-Kollektoren installiert. Davon werden 20 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs gedeckt, die restlichen 80 Prozent über Holzhackschnitzel. Von einer Heizzentrale aus wird das erwärmte Wasser über ein sechs Kilometer langes Leitungsnetz in die Häuser verteilt.

Dingelsdorf verfolgt jedoch einen anderen Ansatz zur Energiegewinnung. Statt Sonne und Holzhackschnitzel soll der Bodensee die nötige Wärme liefern. Als Standort käme der Sportplatz beim Klausenhorn in Frage, erläuterte Heiner Fuchs. Die Heizzentrale und die Wasserentnahmestelle müssten nahe beim See gebaut werden. Beide würden unterirdisch errichtet, so dass auch keine größeren Probleme mit dem Naturschutz zu erwarten wären.

Dass die Nutzung von Seewasser-Wärme funktionieren kann, zeigte Markus Tittelbach auf. Insbesondere die Schweiz nutze diese Technologie und das nicht nur hier und am Genfer See. „Mit der Seewärme kann ich den See abkühlen“, erläuterte er. Selbst die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) habe dies gutgeheißen. Sie hatte den Wärmehaushalt und die möglichen Auswirkungen der Nutzung des Bodensees als Wärmequelle im Winter sowie als Kältequelle im Sommer mittels Wärmepumpen untersucht.

Gerd Burkert, Geschäftsführer der Energieagentur Kreis Konstanz, berichtete, dass die Antragsverfahren für Nahwärmeprojekte einfacher geworden seien. Außerdem hätten sich die Möglichkeiten zur Förderung verbessert. Interessierte können verschiedene Überprüfungen ihrer Häuser vornehmen lassen, die von Energieagentur und Verbraucherzentrale gemeinsam angeboten werden.

Hermann Leiz (Ortsvorsteher von Liggeringen), Markus Tittelbach (Konstanz klimapositiv 2030), Heiner Fuchs (Ortsvorsteher Dingelsdorf), Gerd Burkert (Geschäftsführer der Energieagentur Kreis Konstanz) und Lorenz Heublein (Leiter der Stabsstelle Klimaschutz in der Stadtverwaltung)
Bild: Nikolaj Schutzbach